Warum Kinder in der Stadt weniger draußen spielen – und was das mit ihrer Entwicklung macht
- Studie zeigt: In unseren Städten fehlt Kindern der Platz zum Aufwachsen
- Stadt groß, Chancen klein: Wie Wohnort und Herkunft Kindheit bestimmen
- Wenn Kinder in der Stadt nicht mehr allein losziehen dürfen
- Draußen spielen ist kein Luxus. Es ist eine Überlebensfrage für die Entwicklung!
- Stadtplanung aus Kinderperspektive: Warum urbane Räume für Kinder scheitern
- Was Eltern in der Stadt tun können, wenn ihre Kinder zu wenig Freiraum haben
- Blattpost abonnieren!
Mal schnell „raus in den Garten, den Pelz lüften“, wie meine Oma immer sagte, konnte unsere Katze Nicki deshalb, weil wir auf dem Land wohnten und einen riesigen Garten zur Verfügung hatten. Auf den Straßen war lange Zeit auch nichts los, weil es damals im Vergleich zu heute nur etwa halb so viele Autos gab. Wir Kinder konnten – und durften – den Spielplatz zu Fuß erreichen, beliebig lange und oft den Hund ausführen, und haben ohne Smartphone oder Handy weite Strecken mit dem Fahrrad zurückgelegt. Wir durften eigenständig zu sein schon recht früh lernen. Zudem waren der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft bei uns auf dem Land recht groß, was meinen Eltern half, gelassen zu bleiben, wenn ich alleine ausfliegen wollte.
Bei uns, heutzutage und in der Stadt, ist das anders: Weil der Mangel an Zebrastreifen und respektvollen Verkehrsteilnehmern den Kindern den Alltag erschweren und den Eltern fast unmöglich machen, die Kinder leinenlos in aller Selbstständigkeit durch die Städtelandschaft beispielsweise auf den Schulweg zu schicken, sind zwei Dinge entstanden: die Smartwatch mit Sprachfunktion für Kinder und das umstrittene und oft belächelte Elterntaxi.
Und möchte das Kind auf den Spielplatz, dann wird es selbstredend von einem Elternteil begleitet und stellt sich erstmal an der Schaukel an. Sowieso geht man, wenn man Staus an den Gerätschaften weitgehend vermeiden möchte, entweder vor dem Mitttagessen oder nach dem Abendessen dorthin. Auch das war zu meinen Kindheitszeiten auf dem Dorf anders. Fakt ist: Grünflächen sind in der Stadt rarer als auf dem Land und die Gefahren durch Straßenverkehr und soziale Begegnungen sind in der städtischen Umgebung erhöht.
Nun habe ich, die zwei Kleinkinder hat, mir die Frage gestellt: Was macht das mit unseren Stadtkindern? Ich habe mich auch hier wieder auf die Suche nach Studienmaterial begeben und bin auf zwei wertvolle Studien gestoßen:
Studie zeigt: In unseren Städten fehlt Kindern der Platz zum Aufwachsen
In vielen deutschen Städten fehlt es Kindern an einem sicheren und anregenden Umfeld, um draußen zu spielen und sich frei zu bewegen. Was früher selbstverständlich war – eigenständig draußen zu spielen, Wege zur Schule allein zu gehen oder mit anderen Kindern in der Nachbarschaft auf Entdeckungstour zu gehen – ist heute für viele Stadtkinder die Ausnahme.
Die Studie „Raum für Kinderspiel!“, durchgeführt zwischen 2013 und 2014 im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks, belegt mit eindrucksvollen Zahlen, wie stark die Lebensrealität städtischer Kinder vom Ideal einer kindgerechten Umgebung abweicht. Über 5.000 Eltern von Kindern im Alter zwischen fünf und neun Jahren wurden im Rahmen der Studie befragt. Zusätzlich analysierten Forschende rund 2.000 Wohnumfelder und begleiteten über 100 Kinder in ihrem Alltag.
Das Ergebnis ist alarmierend: In Vierteln mit sehr schlechter Aktionsraumqualität – das bedeutet wenig Grünflächen, viel Verkehr, keine sicheren Spielorte – können rund drei Viertel der Kinder überhaupt nicht frei draußen spielen. Über 80 Prozent dürfen nur unter ständiger Aufsicht hinaus. Das Recht auf Spiel, wie es die UN-Kinderrechtskonvention formuliert, wird in solchen Wohnlagen faktisch außer Kraft gesetzt.
Stadt groß, Chancen klein: Wie Wohnort und Herkunft Kindheit bestimmen
Die Studie zeigt auch, dass der Zugang zu kindgerechten Freiräumen stark von der sozialen Lage der Familien abhängt. Wer über ein hohes Bildungsniveau, gesicherten Erwerbsstatus und ein stabiles soziales Umfeld verfügt, wohnt häufiger in kinderfreundlichen Gegenden. Für Kinder aus benachteiligten Familien hingegen bedeutet das Leben in der Stadt häufig Isolation, Bewegungsmangel und eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten.
Wenn Kinder in der Stadt nicht mehr allein losziehen dürfen
Ein weiterer zentraler Befund: Ein ungünstiges Wohnumfeld verzögert die altersgemäße Entwicklung hin zur Selbstständigkeit. Kinder, die nicht alleine draußen spielen dürfen, sammeln weniger Erfahrungen im sozialen Umgang, in der Konfliktlösung und in der Navigation des öffentlichen Raums. Die sogenannte autonome Kindheit – also das Hineinwachsen in Selbstverantwortung und Freiheit – bleibt ihnen verwehrt.
Draußen spielen ist kein Luxus. Es ist eine Überlebensfrage für die Entwicklung!
Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung hat in ihrer Studie „Draußen spielen – ein unterschätzter Motor der kindlichen Entwicklung“ (2018) darauf hingewiesen, dass freies Spiel im öffentlichen Raum weit mehr ist als Freizeitgestaltung. Es ist ein elementarer Bestandteil kindlicher Persönlichkeitsentwicklung. Kinder, die regelmäßig draußen spielen, entwickeln mehr Selbstvertrauen, eine bessere Motorik und ein höheres Maß an sozialer Kompetenz. Doch gerade in urbanen Räumen verhindern bauliche Barrieren, mangelnde Grünflächen und übermäßiger Autoverkehr diesen Zugang.
Stadtplanung aus Kinderperspektive: Warum urbane Räume für Kinder scheitern
Beide Studien machen klar: Es geht nicht nur um Spielplätze, sondern um eine grundlegende Neuausrichtung der Stadtplanung. Kinder brauchen sichere Wege, lebendige Nachbarschaften und gestaltbare Freiräume. Öffentlicher Raum darf nicht ausschließlich den Anforderungen des Autoverkehrs oder der Erwachsenenwelt folgen. Städte, die kinderfreundlich geplant sind, profitieren langfristig: Sie werden lebenswerter, sozialer und gesünder für alle Generationen.
Was Eltern in der Stadt tun können, wenn ihre Kinder zu wenig Freiraum haben
Als ich mir diese Studien angesehen habe, wurde mir klar, wie wichtig es ist, dass wir im Sinne der Entwicklung unserer Kinder die Weichen von Anfang an richtig stellen! Es liegt nicht nur an Stadtplaner:innen, Bildungseinrichtungen und der Politik, diesem Trend entgegenzuwirken. Auch wir Eltern können eine ganze Menge dafür tun! Falls dich interessiert, was du nun als Elternteil tun kannst, um dein Kind „artgerecht“ in seiner räumlichen und persönlichen Entfaltung zu unterstützen, schau gerne wieder auf meinem Blog vorbei! Dazu habe ich nämlich eine ganze Beitragsserie geplant.
Falls du dich dafür interessierst, was Lärm und Feinstaub mit deinen Stadtkindern machen, lies diesen Blogbeitrag!
Hast du auch ein oder vielleicht gleich mehrere Stadtkinder zu Hause? Oder überlegst du noch, in welcher Umgebung das Baby mal aufwachsen soll?
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