Klick statt Kindheit? Wie digitale Medien unsere Kinder verändern & und was Eltern jetzt tun müssen
Smartphone & Co.: Ständige Begleiter im Familienalltag
Heutzutage sind die meisten Erwachsenen ständig und zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einer Sache verbunden: ihrem Smartphone. Es dient uns als Wecker, der uns nicht nur morgens beharrlich aus den Träumen reißt, sondern uns auch an wichtige Termine und Geburtstage erinnert. Es ist unser unser Walkman, unser Wegweiser zu neuen Zielen, unser Taschenrechner, unser Tor zu weltweitem Wissen, unser Notizblock, unser Fotoapparat, unser Adressbuch, unsere Spielekonsole, unsere Brieftaube und – fast schon etwas oldschool – manche Menschen benutzen es sogar noch als Telefon.
Eltern als Vorbilder: Wie wir den Umgang mit Medien vorleben
Einen Nachteil gibt es jedoch: Den Umgang mit diesem einen Gerät schauen sich unsere Kinder bei uns ab. Auch wir müssen lernen, das Smartphone sowie alle digitalen Medien richtig und in der passenden Dosis zu nutzen. Doch die Schwierigkeit dahinter ist: Das Smartphone ist ein digitales Medium und es ist omnipräsent! Oder gibt es Tage, an denen du nicht weißt, wo dein Smartphone gerade liegt? Bei mir nicht. Ich weiß immer, wo mein Handy ist. Diese Macht über mich hat nicht nur das Smartphone, sondern auch all die Apps, die darauf installiert sind, die Medien, die ich nutze, und nicht zuletzt die Werbung, die mein Smartphone an mich heranträgt – ob ich sie gerade sehen möchte oder nicht!
Vor dem Überangebot an Informationen, die mein Gehirn zermürben, muss ich lernen, mich zu schützen. Ich muss dafür sorgen, die Zeit mit diesen Medien richtig zu dosieren. Ich muss mich abschirmen von all den überflüssigen und viel zu vielen Angeboten, die sonst auf mich einprasseln. Und ich rede bislang nur vom Smartphone und von uns Eltern!
Spielekonsolen, Streaming & Co.: Was das mit unseren Kindern macht
Für Kinder sind noch ganz andere Medien verlockend. Es gibt sie nach wie vor: Computerspiele und Spielekonsolen! Sie bieten Unterhaltung und können sogar soziale Kontakte fördern, bergen aber auch die Gefahr von exzessivem Spielen, was sich negativ auf Konzentration, Bewegung und soziale Interaktionen auswirken kann.
Und was ist mit Fernsehzeit? Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber wir haben einen Smart-TV. Schalte ich den Fernseher an, öffnet sich sofort der Amazon Fire TV Stick mit sämtlichen installierten Apps – von Netflix bis Disney+. Mittlerweile kann meine dreijährige Tochter sogar den Fernseher via Sprachsteuerung bedienen!
Diese Entwicklung zeigt, wie selbstverständlich digitale Medien bereits im Alltag von Kindern verankert sind. Kinder wachsen ganz natürlich mit ihnen auf, und das ist zunächst nichts Schlechtes. Schließlich müssen sie Kompetenzen entwickeln, die in ihrer Lebenswelt gebraucht werden. Allerdings bringt die ständige Verfügbarkeit auch Herausforderungen mit sich: Die Reizüberflutung und das potenzielle Risiko der Medienabhängigkeit steigen, wenn keine klaren Grenzen gesetzt werden.
Ich habe mich auf die Suche nach Studien begeben, die meine Sorgen bestätigen: So zeigt eine aktuelle Untersuchung der Universität Leipzig (2023) im Rahmen der LIFE Child-Studie, die 296 Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren untersuchte, dass ein Medienkonsum von mehr als einer Stunde täglich signifikant mit Problemen in der sozial-emotionalen, sprachlichen und kognitiven Entwicklung verbunden ist. Aber hier sind wir als Eltern gefragt, mehr mit unseren Kindern zu unternehmen, denn die Studie betont auch die wichtige Rolle von Eltern-Kind-Zeiten (ohne digitale Medien), die helfen können, die negativen Auswirkungen immerhin abzuschwächen. Kindern und Eltern, die mehr Zeit miteinander verbringen, haben weniger Zeit zum Fernsehen. Logisch, nicht?
Kurz: Unsere Kinder wachsen in ihrer – dieser – Zeit auf und müssen den Umgang mit smarten Medien erst lernen. Doch es liegt an uns, ihnen den altersgerechten und verantwortungsvollen Umgang zu vermitteln.
Digitale Demenz? Warum Kinder echte Erlebnisse brauchen
Diese Gefahr einer einseitigen, digitalen Überforderung greift auch der renommierte Hirnforscher Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ (2012) auf. Dieses Werk kann ich allen Eltern ans Herz legen, die sich für die Folgen der Nutzung digitaler Medien befassen möchten! Spitzer warnt eindringlich: Je mehr Zeit Kinder mit digitalen Medien verbringen, desto weniger entwickeln sich ihre geistigen Fähigkeiten. Er verweist auf aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen das Gehirn in jungen Jahren besonders auf direkte, reale Interaktion angewiesen ist – sei es durch Bewegung, kreatives Spiel oder soziale Begegnungen.
Digitale Medien, so Spitzer, bieten vor allem passive Reize, die das Gehirn nicht heraus-, sondern überfordern, und zwar mit negativen Folgen für Aufmerksamkeit, Gedächtnis und emotionale Stabilität. Seine These: Wer früh und intensiv Medien konsumiert, riskiert, dass genau jene Hirnareale verkümmern, die für Selbststeuerung, Empathie und Lernen zuständig sind.
Unabhängig davon, ob man all seinen Schlussfolgerungen zustimmt, machen Spitzers Analysen deutlich, wie wichtig eine bewusste, altersgerechte Mediennutzung ist, und zwar gerade bei Stadtkindern, deren Alltag ohnehin stärker von digitalen Einflüssen geprägt ist.
Digitale Medien und Kinderaugen: Wie Bildschirmzeit Kurzsichtigkeit fördert
Wie eine neue Metaanalyse im renommierten Fachjournal JAMA Network Open (2025) zeigt, gibt es auch einen klaren Zusammenhang zwischen Bildschirmzeit und dem Risiko für Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern. Die Analyse von 45 Studien mit insgesamt über 335.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ergab, dass jede zusätzliche Stunde täglicher Bildschirmzeit das Risiko für Myopie um 21 % erhöht. Die Forschenden identifizierten zudem einen potenziellen Schwellenwert: Weniger als eine Stunde Bildschirmzeit pro Tag könnte aus präventivmedizinischer Sicht als sicher gelten, um die Entwicklung von Kurzsichtigkeit bei Kindern möglichst gering zu halten.
Auch hat eine Untersuchung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) gezeigt, dass sich die Kurzsichtigkeit bei Schulkindern zwischen 6 und 13 Jahren in China innerhalb eines Jahres deutlich verschärft hat. In der Studie wurden 123.000 Kinder im Alter von sechs Jahren untersucht, bei denen die Myopie-Rate von 5,7 % im Jahr 2019 auf 21,5 % im Jahr 2020 anstieg. Die Forscher führen diese Entwicklung vor allem auf vermehrte Bildschirmnutzung und den Rückgang der Zeit im Freien während der COVID-19-Pandemie zurück. Ich finde dieses Ergebnis bezeichnend. Es zeigt klar, wie wichtig die Balance zwischen dem Medienkonsum und Bewegung im Freien zur Prävention von Kurzsichtigkeit bei Kindern ist!
Medienkonsum hat auch einen Einfluss auf die Schlafqualität bei Kindern
Der aktuelle Kindergesundheitsbericht der Stiftung Kindergesundheit in München aus dem Jahr 2024 bestätigt, dass intensiver Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen nicht nur den Schlaf beeinträchtigt, sondern auch negative Auswirkungen auf die Lernfähigkeit hat. Besonders die Nutzung von Smartphones und Tablets am Abend steht in direktem Zusammenhang mit Schlafstörungen, die wiederum das kognitive Leistungsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit erheblich reduzieren können. Auch dagegen können wir als Eltern etwas tun: Wir sollten Bildschirmzeiten speziell in den Abendstunden strenger regulieren und ausreichend Pausen einbauen.
Verloren im Bildschirm-Dschungel: Warum gerade Stadtkinder gefährlich früh in die digitale Falle tappen
Ja, der Titel ist reißerisch gewählt, aber du weißt sofort, worauf ich hinaus möchte, nicht? Ich habe weiter recherchiert und eine Studie gefunden, in der es auch um die Mediennutzung nach Wohnort geht. Und unsere Stadtkinder sind dieser tatsächlich früher und intensiver ausgesetzt als die Kinder aus ländlichen Regionen, wie die KIM-Studie des Medienpädagigischen Forschungsverbund Südwest im Jahr 2022 analysiert hat. Stadtkinder haben zum Beispiel häufig besseren Zugang zu Smartphones, Tablets und schnellem Internet. Außerdem verbringen laut dieser Studie städtische Kinder mehr Zeit mit Streaming-Diensten, Online-Spielen und sozialen Medien.
Die Studie weist zwar keine direkten Aussagen über die Auswirkungen dieser Mediennutzung auf die Entwicklung der Kinder in Städten auf. Es wird jedoch festgestellt, dass soziale und räumliche Faktoren (wie weniger Zugang zu naturnahen Spielplätzen oder Freiflächen in Städten) in Kombination mit erhöhter Mediennutzung potenziell Einfluss auf das Freizeitverhalten der Kinder haben können und zu mehr Zeit in Innenräumen führen. Dies kann sich negativ auf die körperliche Gesundheit, die soziale Kompetenz und die emotionale Entwicklung auswirken. Eine höhere Anfälligkeit für Stress und soziale Isolation können die Folge sein.
Die Studie betont aber, dass insbesondere die fehlende Balance zwischen Bildschirmzeit und aktiven, sozialen Erlebnissen für Kinder in urbanen Umgebungen problematisch ist, da sie so wichtige Lern- und Erfahrungsräume verlieren, die für eine ganzheitliche Entwicklung unerlässlich sind.
Wie sollen wir als Eltern mit dieser Verantwortung umgehen?
Die Antwort darauf ist sicherlich nicht einfach und für jede Familie individuell. Aber ein bewusster Umgang mit Medien, klare Regeln, Vorbildfunktion und echtes Interesse an den Medienwelten der Kinder sind eine gute Basis. Wir Eltern sollten abwägen:
- Welche Auswirkungen hat der Medienkonsum auf die Augengesundheit?
- Wie viele Stunden verbringt das Kind bereits außerhalb der eigenen vier Wände, zum Beispiel in Bildungseinrichtungen, mit digitalen Medien?
- Welche Gesamtdauer der Mediennutzung ist altersgerecht?
- Welche Inhalte sind für welches Alter angemessen?
- Was sieht sich mein Kind überhaupt an?
- Wie wirkt sich Medienkonsum auf die Persönlichkeit meines Kindes aus?
- Hat er einen Einfluss auf die Psyche meines Kindes? Zeigt das Kind an Tagen mit viel Medienkonsum vielleicht mehr Gereiztheit oder Launenhaftigkeit?
Diese Fragen zeigen, dass Medienerziehung weit über die reine Zeitbegrenzung hinausgeht. Es geht darum, Inhalte bewusst auszuwählen, gemeinsam Medien zu entdecken und präsent zu sein, während die Kinder sie nutzen. Nur so können wir Veränderungen im Verhalten und mögliche Probleme frühzeitig erkennen.
Falls du dir hierzu mehr Infos wünschst, kannst du dir beim Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit einen Elternratgeber kostenlos herunterladen:
Natur als Gegengift: Warum Wald & Wiese wichtiger sind als WLAN
Umso wichtiger in der aktuellen Zeit wird es, unseren Kindern einen Gegenpol zu den digitalen Medien anzubieten: den Aufenthalt in der Natur, verbunden mit Spiel und Austausch mit anderen Kindern. Ich habe ein wissenschaftliches Paper von Ulrich Gebhard von der Universität Bielefeld gefunden, das zeigt, warum der Mensch die Natur für sein seelisches und körperliches Heil unbedingt braucht: Herr Gebhard eröffnet in seinem Paper eine faszinierende Perspektive auf die Wirkung der Natur auf Kinder, indem er ein dreidimensionales Modell vorstellt, das Körper, Geist und soziale Entwicklung miteinander verbindet. Er zeigt, wie Naturerfahrungen nicht nur bloße Freizeitaktivitäten sind, sondern tiefgreifende Veränderungen auf mehreren Ebenen bewirken:
Physiologisch betrachtet senkt der Aufenthalt in grünen Umgebungen messbar den Blutdruck und die Herzfrequenz, stärkt das Immunsystem und hilft sogar, allergische Erkrankungen zu verringern. Und zwar sollen diese Effekte bereits nach vergleichsweise kurzen Naturkontakten spürbar sein.
Auf der psychischen Ebene zeigt Herr Gebhard, dass Naturerlebnisse den Stresspegel bei Kindern deutlich senken und Angstzustände sowie depressive Symptome mildern können. Die beruhigende Wirkung auf das Gehirn, insbesondere die Verringerung der Aktivität in stressbezogenen Hirnregionen, fördert nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Konzentrationsfähigkeit. Ein entscheidender Vorteil, der sich positiv auf die Lernfähigkeit und das schulische Vorankommen auswirkt!
Gleichzeitig weist der Autor auf die soziale Dimension hin, die oft unterschätzt wird: Naturerfahrungen bieten einen wertvollen Raum für gemeinsames Spiel und Lernen, der soziale Kompetenzen wie Empathie, Kooperation und Konfliktlösung stärkt. Besonders für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen eröffnen naturnahe Umgebungen Chancen zur sozialen Teilhabe und stärken ihr Selbstwertgefühl. Darüber hinaus fördert die Natur ein tiefes Wir-Gefühl, das Kindern hilft, sich in der Welt sicher und handlungsfähig zu fühlen, was ihre Resilienz gegenüber psychischen Belastungen stärkt.
Die Forschung von Herrn Gebhard macht klar: Die Natur ist mehr als Kulisse! Sie ist ein aktiver Partner in der Förderung kindlicher Gesundheit und Lebensqualität.
Machst du dir auch manchmal Sorgen darüber, wohin sich die Abhängigkeit zwischen uns Menschen und den digitalen Medien noch entwickeln wird? Was sind deine Gedanken zum Medienkonsum von Kindern? Ich freue mich über deinen Kommentar!
Quellen
- https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2830598 (abgerufen am 20.05.2025)
- https://www.allaboutvision.com/ru/sostoyaniya/blizorukost/kurzsichtigkeit-bei-kindern-chinesische-studie/ (abgerufen am 20.05.2025)
- https://www.kindergesundheit.de/Die-Stiftung/Kindergesundheitsberichte/Kindergesundheitsbericht_2024.php (abgerufen am 20.05.2025)
- https://mpfs.de/studien/kim/ (abgerufen am 20.05.2025)
- https://www.researchgate.net/publication/371368776_Nature_experience_and_mental_health_in_children-theoretical_approaches_and_selected_empirical_findings (abgerufen am 20.05.2025)
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