Über die Herausforderungen in der Großstadt: das Stadtleben aus Landkind-Perspektive

Das Stadtleben hat – auch für Kinder – unzählige Vorteile

Natürlich: Das Stadtleben bietet Kindern eine Menge Vorteile. Deswegen habe ich mich auch einem Leben in der Stadt verschrieben. Stadtkindern steht ein breites Spektrum an Freizeitangeboten zur Verfügung. Sport- und Musikvereine bieten rund um die Uhr Kurse an, das Kasperltheater hat immer wieder wechselnde Vorstellungen und der Indoor-Spielplatz oder irgendeins der vielen Schwimmbäder hält an jedem Tag des Jahres – auch im Winter – unsere Kinder fit. Nur um ein paar wenige Anlaufstellen an Freizeitangeboten zu nennen, die sich bei uns in der Stadt finden lassen. Die medizinische Versorgung ist im urbanen Umfeld durchschnittlich besser als im ländlichen Raum, wovon die Kinder schon ab ihrer Geburt profitieren, und das Bildungsangebot ist auch spezieller. Von einem musischen Gymnasium hätte ich in meiner Jugend zu Lande allenfalls träumen können. Sicher bietet das Stadtleben eine ganze Menge weiterer Vorteile, die Beachtung verdienen.

Doch in diesem Beitrag geht es um die negativen Seiten, die uns das Leben in der Stadt bieten und die wir, je nach persönlichen Umständen, als belastend empfinden können oder nicht. Ich möchte dir deshalb erzählen, wie ich, die ich in einem Dorf aufgewachsen bin, das Stadtleben bisher wahrgenommen habe.

So erlebte ich das Leben in Paris im 16. Arrondissement: Elegant, mondän, hektisch und staubig

Paris hat mich schon immer fasziniert: Eine Stadt mit reicher Geschichte, prunkvoller Architektur, weltbekannten Sehenswürdigkeiten und einer Cafékultur, die man erlebt haben muss. Aber vor allem wollte ich der französischen Sprache mächtiger werden. Ich ging also mit Mitte 20 nach Paris, um dort unentgeltlich zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund konnte ich mir nur ein paar wenige Quadratmeter Wohnfläche unter dem Dach leisten. Die Toilette teilte ich mir mit anderen Menschen auf dem Stockwerk, die mir nie begegneten, die ich wohl aber lauthals weinen oder musizieren hörte. So gering das Platzangebot und so heruntergekommen der „Dachboden“ bzw. das Stockwerk mit den Chambres de Bonne auch war, so glücklich war ich über diese Erfahrung, in einem – von außen – sehr eleganten Anwesen im Haussmann-Stil untergebracht gewesen zu sein.

Leider hatte ich nach meiner Ankunft wochenlang eine hartnäckige Bronchitis, die in der sommerlich staubigen Hitze nicht abheilen wollte. Paris unternimmt allerdings schon einige Maßnahmen gegen den Feinstaub: Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit lief ich auf dem frisch abgespritzten Gehsteig, vorbei an der traditionellen Boulangerie, deren Baguette-Geruch die ganze Straße erfüllte, an der stark befahrenen Rue de la Grande Armée entlang bis zur Metro, die mich ins schöne, historische Quartier Latin brachte. Meine erfreuliche Erkenntnis: Die Straßen werden an jedem Morgen gereinigt, was zeitgleich auch das Stadtbild aufhübschen dürfte. Mittlerweile hat Frankreich aber auch ein funktionierendes System aus Umweltzonen, das nun immer weiter ausgebaut wird: Paris lässt sich nun in Teilen und zu bestimmten Zeiten nur noch von Fahrzeugen mit einer bestimmten Emissionsklasse befahren, was die Luftqualität auch erheblich verbessern dürfte. Mehr dazu in meinem Beitrag über die Crit’Air Vignette.

In Paris ist die Hektik daheim. Noch nie habe ich Menschen so schnell gehen sehen wie in Paris. Was aber auch nicht wundert, da diese Stadt vor Tagespendlern und Touristen fast überquillt. Man möchte eben schnell seinen Zielort erreichen. Und weil die Stadt nun mal so voll mit Menschen ist, hat man in der Folge auch nicht immer die Möglichkeit, ein schönes einsames Plätzchen am Seine-Ufer oder in einem der schönen Parks zu finden. Tipp: Im Jardin du Luxembourg besetzt man sich seinen Quadratmeter im Sommer am besten schon früh am Morgen. Doch nicht nur draußen fühlte ich mich oft nicht allein, auch in meinem bescheidenen Zuhause war die Privatsphäre, wie schon beschrieben, begrenzt.

Obwohl ich fast direkt am stärksten Verkehrsknotenpunkt in ganz Paris wohnte, nämlich am Charles de Gaulle Étoile, der Kreisverkehr, auf dem der Arc de Triomphe steht, fühlte ich mich zu dieser Zeit noch nicht durch den Verkehr gestört. Wohl auch, weil die oft recht hübsch gepflasterten Straßen von anmutenden Platanen umsäumt sind und ein wenig mehr Natürlichkeit ausstrahlen?

In Paris Ausgleich in Naherholungsgebieten finden?

Ich habe natürlich versucht, schöne Orte zu finden, an denen man verweilen konnte. Man trifft in jedem Stadtviertel irgendwo mal eine Bank zum Ausruhen oder ein Plätzchen mit atemberaubendem Ausblick. Aber: Man ist immer umgeben von vielen Menschen. Im französischen Decathlon habe ich mich mit Laufaccessoires eingedeckt und rannte zu Hause los, um mit Laufschuhen diese schöne Stadt zu erkunden. Ich lief am Seine-Ufer entlang bis ich den Eiffelturm sah und ich rannte die Champs Elysées hinunter bis zum Louvre. Es war sehenswert, aber nicht erholsam. Man kann es nicht leugnen: Paris ist nun mal eine Großstadt und so hört man Verkehrslärm quasi auch überall da, wo sich die hübsch, zumeist symmetrisch angelegten Grünzonen befinden: Im Jardin des Tuileries, am Champ de Mars, im Jardin du Luxembourg, im Bois de Boulogne…

In Kampala, der Hauptstadt von Uganda, gibt es neben Staub und Verkehrsgefahren jede Menge Schall und Rauch

Uganda ist zwar nichts für sensible Mägen, hat aber für Naturfreunde nicht nur große Nationalparks mit Elefanten, Giraffen, Nashörnern und mehr, sondern auch eine Menge tropischen Urwald zu bieten, in dem die stark bedrohten Silberrücken-Gorillas beheimatet sind. In die Hauptstadt Ugandas zog ich für eine absehbare Anzahl an Monaten, um mich bei einem kleinen schwedischen Startup-Unternehmen im Energiesektor einzubringen. Untergebracht war ich in einem etwas besseren Stadtteil in einer kleinen Wohnanlage, von der aus man einen schönen Ausblick ins Grüne hatte – ein großes Plus zu all den anderen Stadtwohnungen, in denen ich bereits wohnte.

In Uganda sind nur die großen Straßen geteert. Die meisten Straßen – auch die in der Stadt – bestehen aus roter, sandiger Erde mit tiefen Schlaglöchern. In Trockenzeiten eine sehr staubige Angelegenheit, die man auch mit in die Wohnungen hineinträgt. Es fahren diejenigen Autos in Uganda, die irgendwo anders auf der Welt ausrangiert und dort, in Uganda, noch ein zweites Leben bekommen haben. Viele Männer verdienen ihr Geld mit ihrem Bodaboda und fahren Leute auf ihrem Motorradtaxi umher. Man fragt sich schon manchmal, ob und wenn ja, welche Verkehrsregeln dort gelten. Aber abgesehen davon verursachen die vielen Motorräder und alten Autos riech- und hörbare Umweltbelastungen in der Stadt und auch zwischen den Städten über Land. Da, wo unser Haus stand, hat mich das zum Glück weniger tangiert. Was mich aber sehr gestört hat, war Folgendes: Und zwar baut man in diesem Land am Äquator, wo auch die nächtlichen Temperaturen nie als kalt zu bezeichnen sind, Häuser mit Fenstern, die zur besseren Belüftung Schlitze besitzen, so wie wir sie von Fensterläden kennen. Nun gibt es in Uganda aber keine Müllabfuhr. Der Müll der gesamten Nachbarschaft – von Plastik bis Problemmüll – sammelt sich täglich am Straßenrand und wird am Ende des Tages einfach angezündet. Voilà: Problem gelöst. Einziger Haken: Der Rauch des abgefackelten Müllbergs durchströmte regelmäßig mein Schlafzimmer und so setzte ich mich, ohne dass ich daran etwas ändern konnte, vermutlich sogar gesundheitlichen Gefahren aus.

Ein Jahr in der Großstadt München: Von Jobinterviews, Lärm und einem Mangel an Privatsphäre

Gemütliche Biergärten, das Tollwood-Festival, wo ich meinem musikalischen Idol live begegnen konnte, abendliches Grillen an der Isar und Schnee sogar noch vor Weihnachten! All das konnte ich in München finden.

Als ich nach München zog, sah ich zunächst die vielen Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die sich mir böten und hatte einige sehr aufschlussreiche Vorstellungsgespräche mit potentiellen Chefs, nur um mich nach einem Jahr der Suche wieder in meiner Wahlheimat zu bewerben – und zu bleiben. Sicher spielte bei meinen Entscheidungen, diese Jobs abzulehnen, eine Sache hinein: Es wurde für mich immer deutlicher, dass mir an diesem Ort etwas ganz Entscheidendes fehlte. Was das war? Die Auflösung findest du weiter unten 😉

Und so erlebte ich, Anfang 30, das Leben in der Stadt: Mein Großstadtjahr füllte ich sinnvoll mit einem Lehrgang in meinem beruflichen Bereich und fuhr dafür täglich morgens mit dem Bus zu einem Verkehrsknotenpunkt. Hier stieg ich aus und hielt mir erst einmal die Ohren zu: Baustellen und Verkehrslärm begleiteten mich zu diesem Haus mit der darin befindlichen Schule, ebenso die schmerzverzerrten Gesichter der anderen Menschen, die sich offensichtlich auch nicht lange an dieser Verkehrsader mit Reparaturbedarf aufhalten wollten. In einem Laden für Berufsbedarf legte ich mir nach kurzer Zeit Kopfhörer zu, die mich vor Baulärm schützten und – für die tägliche Portion Inspiration auf die Ohren – einen Audio-Anschluss besaßen. Diese Kopfhörer trug ich bereits beim Verlassen des Hauses, das sich seinerseits auch in zweiter Reihe zu einer stark befahrenen Straße befand.

Selbst in der Wohnung des Mehrfamilienhäuserblocks nahm man immer wahr, dass man nicht alleine war: Flöte von links, die Schreie einer überforderten Mutter von rechts. Jeder, der einmal in München gewohnt hat, weiß: Das Platzangebot am Weißwurstäquator ist begrenzt und Privatsphäre daher Mangelware.

Erholung in der Stadt? Meine Erholungsversuche gelangen mir nicht immer

Ich versuchte, wie ich es immer schon tat, Ausgleich im Spazieren, Laufen und Radfahren zu finden. Praktisch: Jeweils etwa 15 Gehminuten entfernt befanden sich der Südpark und der Westpark. Dass man – gerade bei schönem Wetter – an den schönen Orten nirgends alleine war, erwartete ich gar nicht, hätte mir aber freilich mehr Ruhe und Erholung geboten. Der Südpark hatte tatsächlich etwas Natur im Angebot – viele Bäume, ja sogar fast Wald – und viele verwinkelte Wege, dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – fühlte ich mich dort auch nicht zu jeder Zeit rundum wohl. Wenn mich jemand fragt, was ich dann an München gut fand, dann antworte ich mit einem Augenzwinkern: Das Umland! Von München aus ist man nämlich auch schnell an wunderschönen natürlichen Orten, die nicht überbevölkert sind: an der türkisblauen Isar zum Kajakfahren oder in den Bergen zum über die Kuhweiden Wandern. Vielleicht suchte ich nicht lange genug nach ihnen, doch im „größten Dorf der Welt“ schien es für mich keinen geeigneten Fleck zu geben, an dem ich mich wieder erden konnte. Sicher braucht der Mensch ein gewisses Maß an Privatsphäre, aber gleichzeitig auch Freundschaften und ein funktionierendes Sozialleben. Und egal, wohin ich in München fahren wollte, um alte Freunde zu treffen, ich brauchte 45 Minuten. Eine Dreiviertelstunde meines Lebens hin und genauso lange zurück genoss ich jedes Mal mein Leben in vollen Zügen und Bussen und belauschte unweigerlich Lästereien über schlechte Chefs und wenig modebewusste „Diggas“ (Freunde?). À propos Freundschaften: Diese musste ich mir als Neu-Münchnerin – oder „Neig’schmeckte“, wie die Locals sagen – in München richtig erarbeiten.

Meine Heilmittel gegen mein städtisches Entfremdungsgefühl: Retour à la Nature!

Kurz: Der Lärm, der Schmutz, der Mangel an Privatsphäre und ein Wohnumfeld, das mir nicht zur Erholung taugte, waren zumindest in München die Hauptursachen für meine Lage. Das erkannt, habe ich mich direkt an die „Arbeit“ gemacht: Ich musste meine Lebensweise neu überdenken, mir planvoll überlegen, was ich zur Besserung meiner Situation beitragen konnte:

Wie müsste mein Leben aussehen, damit es mit meinen Werten zusammenpasst? Welche (alltägliche) Umgebung muss ich mir dazu schaffen? Und, weiter gedacht, damit mir künftige widrige Umstände nichts anhaben konnten: Wie konnte ich für die Zukunft noch resilienter werden?

Ein „Retour à la Nature“, wie es Rousseau bereits im 18. Jahrhundert gesagt haben will, sollte mir dabei helfen, mich zumindest wieder mit unserer Erde wieder in Verbindung zu bringen. Somit wäre hier die versprochene Auflösung des Rätsels: Mir fehlte die Möglichkeit, mich mit der Natur zu verbinden.

Wie kann man beides haben: Von den Vorteilen der Stadt und der Natur gleichzeitig profitieren?

Verstehe mich nicht falsch: Ich habe mich weiterhin für ein Leben in der Stadt entschieden, da ich freilich auf die Vorteile des Stadtlebens nicht verzichten möchte, und einen neuen Anlauf gewagt. Doch diesmal nicht in Paris, nicht in Kampala und nicht in München. Und auch habe ich darauf geachtet, mir Umstände zu schaffen, die mir guttaten, sofern es denn möglich war. Aber dazu in meinen späteren Beiträgen mehr.

Als ich da so in München saß und weltschmerzend über den Sinn eines Stadtlebens nachdachte, kamen in mir die Fragen hoch:

Sollte ich je Kinder haben, wollte ich, dass sie in Einklang mit der Natur aufwachsen. Doch wie könnte man beides haben? Stadt und Natur, die Vorzüge der Stadt genießen und gleichzeitig Naturerfahrungen finden? Wie werden Kinder in der Stadt groß, ohne – wie ich – übertrieben gesagt: leiden?

Mit diesen Herausforderungen leben Stadtmenschen täglich

Irgendwann verstand ich: Ich bildete mir nicht ein, dass es vorwiegend die Phänomene des städtischen Lebens waren, die zu meinem Entfremdungsgefühl beigetragen haben. Es ist schließlich bereits erwiesen, dass es die eher urbanen Phänomene sind, die die Menschen- und gerade Kinderseelen und -körper stark belasten können. In meinem nächsten Beitrag werde ich zusammenfassen, was Studien und andere Erhebungen über die Auswirkungen von Phänomenen wie sie vorwiegend in der Stadt vorkommen aussagen:

  • Lärm und Luftverschmutzung
  • Begrenzte Naturerfahrungen
  • Verkehrsgefahren
  • Soziale Isolation
  • Armut und Ungleichheit
  • Digitale Überforderung
  • Mangel an Privatsphäre

Im weiteren Verlauf wirst du hier von mir im Gewand einer Natur- und Umweltpädagogin einige Tipps erhalten, wie du Naturerfahrungen in deinen Alltag integrieren kannst, sodass du und auch deine Kinder davon profitieren.

Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreib mir gerne einen Kommentar!

One Comment

  1. Sara 17/01/2025 at 22:57 - Reply

    Hallo Carina, ja, mir ging es tatsächlich in München genauso wie dir. Ich wohne jetzt in einer Kleinstadt. Zwar gibt’s hier kaum Lärm und Schmutz, dafür viel Langeweile gerade im Winter..
    Lg Sara

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