Umweltverschmutzung in der Großstadt: Lärm und Feinstaub machen das Stadtkind krank

Unser Alltag ist voller Geräusche und unsere Ohren haben keinen Aus-Knopf

Stell dir vor, du kommst nach Hause, nach einem anstrengenden Tag im Großraumbüro, bei ständig klingelnden Telefonen und lachenden Menschen, nachdem du quietschende Züge am Bahnhof ertragen und dich schließlich in einen vollen Wagon begeben hast, der dir nur einen Stehplatz anbieten konnte. Endlich daheim, wirfst du deine Sachen ab und schmeißt dich auf den Sessel, während plötzlich irgendein Nachbar in deinem Mehrfamilienhaus auf die Idee kommt, eine Küche zu montieren. Du denkst dir, na gut, dann setze ich mich solange auf den Balkon, doch draußen läuft der Hausmeister des Anwesens mit einem Laubbläser umher. Du weißt bereits, welches Gefühl ich versuche, in dir hervorzulocken, richtig?

Wenn ich meine Kinder in die Kita gebracht und zu Hause mit all der geräuschvollen Hausarbeit fertig bin und mich zum Arbeiten hinsetze, sogar in dieser Situation fällt mir oft auf, dass ich nicht allein, sondern in der netten Gesellschaft zum Beispiel meiner Spülmaschine bin.

Geräuschquellen finden wir Erwachsenen in unserem Alltag bereits genug. Aber auch Kindern begegnet Lärm an sehr vielen Stellen: An Bushaltestellen, im Verkehrsmittel selbst, in der Schule, in der Pause, im Klassenzimmer. Außerdem zu Hause, wo permanent das Radio, die Toniebox oder der Fernseher laufen oder einfach das kleine Geschwisterchen vergnügt vor sich hin quietscht. Und das ist nur das alltägliche Grundrauschen, das uns überall begegnet – ob in der Stadt oder auf dem Land.

In der Stadt erleben wir aufgrund der Infrastrukturen häufiger Baugeräusche: Straßen werden immer wieder ausgebessert, Häuser renoviert und neu gebaut. Jede Stadt hat meist einen oder mehrere Bahnhöfe, die mit ihren durchbretternden Güterzügen und schrillen ICE-Bremsen auch keine beliebten Nachbarn sind. Genauso wenig die Gegenden, die nonstop von Autos, Bussen und Lastwägen beglückt werden. Aber auch Kindergärten und Schulen können für die Anwohner zur Belastungsprobe werden.

Ein Drittel der Bevölkerung fühlt sich von Umweltverschmutzung belastet

Ich habe nach Studien darüber gesucht, wie sich Umweltverschmutzung auf uns Menschen auswirkt, und bin auf die Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamts gestoßen, die die Ergebnisse von Befragungen aus dem Jahr 2018 wiedergeben. Diese zeigen, dass die empfundene Gesundheitsbelastung durch Umweltverschmutzung und Umweltschadstoffe (Lärm, Feinstaub oder Chemikalien, neue Technologien wie Mobilfunk, Gentechnologie oder Nanotechnologien) bei der Mehrheit der Befragten zwar eher gering ist – 52 Prozent fühlen sich wenig und sieben Prozent überhaupt nicht belastet. Trotzdem fühlen sich 31 Prozent der Befragten stark und 5 Prozent sehr stark belastet, welche Gruppen zusammengenommen insgesamt mehr als ein Drittel ausmachen.

Lärmbelästigung geschieht am häufigsten durch Straßenverkehr

Dieselbe Studie führt auch zu dem Ergebnis, dass Lärm durch Straßenverkehr mit 75 Prozent den größten Anteil an verkehrsbedingter Lärmbelästigung ausmacht, durch den sich die Befragten in ihrem Wohnumfeld gestört oder belästigt fühlen. Von Fluglärm fühlen sich zu Hause 42 Prozent der Bevölkerung gestört, von Schienenverkehr fühlen sich 35 Prozent beeinträchtigt. Circa 60 Prozent der Befragten fühlen sich durch die Geräusche ihrer Nachbarn beeinträchtigt und 44 Prozent fühlen sich etwas gestört von Industrie- und Gewerbelärm.

Was bedeutet der Lärm für große und kleine Stadtbewohner?

Ich habe mich auf die Suche nach Studien begeben und ein wissenschaftliches Paper von Prof. Dr. Thomas Münzel von der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aus dem Jahr 2018 gefunden, das verschiedene Studien über die Auswirkungen von Lärm auf die menschliche Gesundheit zusammenfasst. Demnach steht Verkehrslärmbelastung in direktem Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall. Lärm beeinflusst außerdem das autonome Nervensystem und so sind selbst niedrige Lärmpegel, wenn sie chronisch auftreten, in der Lage, unsere Aktivität, unseren Schlaf und unsere Kommunikation zu stören, was wiederum zu Ärger und dieser wiederum zu Stress führt. Chronischer Stress seinerseits bringt ein Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Diabetes Typ 2 und Schlaganfall mit sich. Hinzu gesellt sich das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände.

Die zusätzlichen Auswirkungen von Lärm auf Kinder werden in diesem Paper gesondert behandelt: Kinder reagieren besonders empfindlich auf Lärm, da sie sich in einer Entwicklungsphase ihres Wachstums und ihrer kognitiven Fähigkeiten befinden. Sie haben zudem weniger Fähigkeiten, sich gegen Lärm zu schützen. Bei ihnen steigen die Hormonspiegel von Adrenalin und Noradrenalin mit zunehmender Lärmbelastungsdauer und in der Folge steigt ihr Blutdruck an. Fluglärm, aber auch schon Straßenverkehrslärm, wirken sich nachweislich auf das Gedächtnis, das Verständnis und die Leseleistung von Kindern aus und behindern somit die kognitive Entwicklung. Ferner kann Umgebungslärm natürlich zu Schlafentzug führen und dieser wiederum zu Gedächtnisstörungen, Depressionen, Entzündungen, oxidativem Stress und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Viele Kinder sterben an Schadstoffen aus der Luft

Ein Bericht der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass in Europa jedes Jahr 1.200 Kinder und Jugendliche an Luftverschmutzung sterben. Grund dafür sind Feinstaub, Ozon und das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid. Die WHO hatte bereits im Jahr 2021 die Grenzwerte für Luftschadstoffe stark gesenkt, in Deutschland liegen diese jedoch immer noch weit über den Empfehlungen der WHO. Laut einer Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe ließen sich in Deutschland 28.900 Todesfälle vermeiden, würde man hier die Empfehlungen der WHO einhalten.

Umweltzonen in Städten haben bereits Kinderleben gerettet

Seit 2008 werden in deutschen Städten Niedrigemissionszonen eingeführt, die laut einer Studie im American Economic Journal von Mai 2024 sich bereits hilfreich im Kampf gegen Luftverschmutzung und seine gesundheitlichen Folgen erwiesen haben: In dieser Studie, die sich mit den Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Gesundheit von Kindern bis zur Einschulung befasst, hat man herausgefunden, dass Kinder, die während der Schwangerschaft durch ihre Mütter und in ihrem ersten Lebensjahr selbst sauberer Luft ausgesetzt sind, für mindestens fünf Jahre lang weniger Medikamente benötigen.

Dies wird durch eine Studie der AOK bestätigt. Bei dieser Untersuchung wurden die Verschreibungen von Medikamenten gegen Asthma und andere Atemwegserkrankungen von Kindern untersucht, die zwischen 2006 und 2012 geboren wurden. Auch da, wo bereits niedrige Schadstoffbelastung vorherrscht, hatte eine weitere, wenn auch geringe Verbesserung der Luftqualität hinsichtlich Feinstaub PM10 (der so klein ist, dass sich nicht nur in der Lunge, sondern sogar in den Blutgefäßen absetzen kann) eine positive Wirkung. Seit Einführung der Umweltzonen in Deutschland hat sich der Gehalt des Feinstaubs PM10 durchschnittlich gesehen um fünf Prozent gesenkt. Kindern, die in utero oder im ersten Lebensjahr bereits von der verbesserten Luftqualität profitieren durften, wurde im Vorschulalter rund 13 Prozent weniger Asthmamedikamente verschrieben. Folglich erkrankten weniger Kinder an Asthma und auch für andere Atemwegserkrankungen lagen weniger Verschreibungen vor. Der Krankenversicherer kommt daher auch zu dem Schluss: „Reine Luft schützt kleine Kinder“.

Was heißt das nun für uns? All diese erschreckenden Daten schreien danach, dass wir unserer Erde massiven Schaden zufügen und sie mit unserem Lebensstil vermutlich früher als erwartet für unsere Kinder und Enkel zu einem unbewohnbaren Platz machen. Und gleichzeitig – das zeigen ja die Daten – machen wir unsere Kinder (und uns selbst) damit krank. Wer in der Stadt leben möchte, muss zwangsläufig über den eigenen Lebensstil nachdenken, auch wenn es noch so unbequem erscheint. Auch wenn du jetzt vielleicht noch nicht in der Lage bist, dein Leben umzukrempeln, ist auch jede noch so kleine Änderung ein wertvoller Beitrag für unsere Erde und die Gesundheit unserer Stadtkinder.

Quellen

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5898791/#s012

https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/luftverschmutzung-in-europa-schaedigt-unsere-kinder-deutsche-umwelthilfe-fordert-striktere-schadstof/

https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/pol.20210729

https://www.aok.de/pp/gg/magazine/gesundheit-gesellschaft-11-2024/luftverschmutzung-kindergesundheit/

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